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20. Dezember

Dieser Tag würde in die Geschichte eingehen!

 In letzter Zeit ging es Dove immer immer schlechter. Sie bereitete mir solchen Kummer. Vier Tage. Vier Tage hatte ich noch mit ihr…wie würde das sein, wenn sie dann nicht mehr da war? Komisch, sicherlich. Ich hatte jegliche Hoffnung aufgeben, dass sie noch gerettet werden

könnte. Doch heute morgen wandte sich das Blatt. Als ich nämlich begann, die morgendliche Zeitung zu überfliegen, stieß ich auf einen Artikel, der meine Aufmerksamkeit auf sich zog: Heilmittel gefunden! 

 Aufgeregt las ich mir den Artikel durch. Sie hatten also endlich ein Mittel gegen Dove’s Krankheit gefunden! Mein Herz begann zu rasen und eine Welle der Freude überkam mich. Dove würde nicht sterben, alles würde gut werden! Sie war gerettet. Ich stieß einen nicht

überhörbaren Freudenschrei aus.  ,,Dove! DOVE!“ Kreischend rannte ich auf sie zu, als sie den Speisesaal betrat. Bestürzt schaute sie mich an und wich ein paar Schritte zurück. ,,Jetzt beruhige dich erstmal und sag ganz langsam was passiert ist.“, meinte sie sanft und legte mir ihre dünne, abgemagerte Hand auf die Schulter. ,,Kann ich nicht! Dove, du wirst nicht sterben. DOVE, DU BIST GERETTET!“  Perplex schaute sie mich an. Starr. Ungläubig. Für einige Momente war im ganzem Speisesaal alles todstill. Niemand wagte es, ein Geräusch zu machen. Ich konnte nur den Wind hören, welcher draußen vorm Fenster wehte.

 Dann begann Dove wie wild zu schreien und umarmte mich vor Freude, umarmte jeden, der ihr über den Weg lief. Das Lächeln auf ihrem, und auch auf meinem Gesicht, war wie festgenagelt.

 ,,Und du lügst auch nicht?“, rief meine beste Freundin strahlend. ,,Ich werde wirklich nicht sterben?“  ,,Das würde ich nie tun. Schau hier, in diesem Artikel steht es!“  Nun standen auch alle anderen Mädchen auf und applaudierten. Sie kamen zu uns und wichen nicht von unserer Seite. ,,Ihr müsst zur Hausmutter gehen und ihr diese tolle Nachricht überbringen!“, rief Alice und umarmte erst Dove, und danach mich.

 ,,Das werden wir tun, komm Charm.“ Gemeinsam liefen wir, immer noch vor Freude strahlend und kreischend die Treppen zum Büro unserer Hausmutter hinauf. Doch sie kam uns sogar entgegen.

 ,,Was fällt euch ein, so laut zu sein?“, rief sie weniger erfreut.

 Bevor Dove es erklären konnte, rief ich:,,Dove wird nicht sterben! DIE ÄRZTE HABEN EIN HEILMITTEL GEGEN IHRE KRANKHEIT GEFUNDEN!!!“

 ,,Du musst nicht so schreien, ich stehe - Moment, was?!“ So verdutzt wie jetzt hatte ich unsere Hausmutter noch nie gesehen. ,,Ja, es ist wahr, schauen Sie.“ Ich hielt ihr die Zeitung hin, welche ich zum Glück

mitgenommen hatte. Sie überflog die Zeitung, dann umarmte sie Dove mit Tränen in den Augen. ,,Oh Dove! Wir werden dich nicht verlieren, ich bin so froh!“ ,,Ach, alles gut, bitte hören Sie auf, sonst muss ich auch noch weinen“ Dove wischte sich eine Träne aus ihrem Gesicht.

 ,,Wir müssen dieses Heilmittel heute noch bestellen!“, meinte ich aufgeregt. ,,Aber woher nehmen wir das Geld? Wenn es gerade erst neu auf den Markt gekommen ist, wird es bestimmt sehr teuer sein. Das Waisenhaus schwebt jetzt nicht gerade in Geldüberschuss.“, entgegnete unsere Hausmutter bedauernd. Ich verstummte. Da hatte sie recht, woher sollten wir das Geld nehmen? ,,Von Charm’s Eltern. Die Weihnachtsgeschenke haben wir auch damit bezahlt, warum dann

nicht auch das Medikament? Also wenn das für dich in Ordnung ist.“, frohlockte Dove. Ich nickte sofort. ,,Nichts lieber als das!“ So bestellten wir das Heilmittel noch am selben Abend. Fast die ganze Zeit über, waren wir im Büro unserer Hausmutter. Ich war dort noch nie vorher gewesen. Es war echt schön gemütlich eingerichtet und das Kaminfeuer ließ alles in einem wohligen gold erstrahlen. Wir durften sogar von den Nussschokoladencookies naschen. Als sie uns raus bat, meinte ich zu Dove, dass sie schon einmal vorgehen solle. ,,So, Charm Damian, was liegt dir denn auf dem Herzen?“, fragte unserer Hausmutter mich, nachdem Dove die Tür geschlossen hatte. ,,Alsoooooo, ich hatte vorgestern eine Idee.“, begann ich zu erzählen. ,,Ich finde, Dove ist immer so nett zu allen, und generell so ein toller Mensch, sie hat ein Geschenk verdient.“ ,,Und wie stellst du dir das vor?“ Unsere Hausmutter nippte an ihrem Kaffe. ,,Nun ja, es soll etwas sein, was ihr viel Freude bereitet. Bücher hat sie genug, und andere

materielle Dinge sind ihr nicht so wichtig. Sie erwähnte einmal, dass ihre Lieblingstiere Hunde sind…hätten Sie etwas gegen einen Hund im Waisenhaus?“ ,,Oh ja, das ist eine wunderbare Idee! Ich muss dazu sagen, dass ich Hunde auch schon immer geliebt habe.“ Unsere Hausmutter strahlte. ,,Und durch Zufall weiß ich, dass vor ein paar

Tagen ein Golden Retriever Welpe im Tierheim der Stadt abgeben wurde. Nur zu gerne würde ich ihn aufnehmen.“ Auch ich strahlte. ,,Das ist toll! Dove, nein wir alle, werden uns bestimmt freuen! Ich gehe

jetzt, bitte verraten Sie aber niemandem was!“ Ich ging in Richtung Tür.

 ,,Charm, warte!“ Ich drehte mich wieder um.

 ,,Danke. Für alles.“

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