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Ausbildung oder Studium – Das ist hier die Frage!

Ab der 9. Klasse findet an unserer Schule der Berufswahltag statt. Ab dann fragen wahrscheinlich auch deine Oma oder dein Opa das erste Mal richtig ernst gemeint: Weißt du denn schon, wohin es später geht? – Nein, der nächste Urlaub nach Corona ist damit nicht gemeint, sondern die Arbeit, die du später ausführst. Aber was soll man darauf antworten? Viele sind sich noch bis in die Zeit der Abiprüfungen unsicher über ihren Berufswunsch. Das muss nicht immer daran liegen, dass man sich noch keine Gedanken zu dem Thema gemacht hat, sondern kann auch auf eine Überforderung durch die vielen Möglichkeiten zurückzuführen ein. Zu Beginn sollte man sich mit der Frage „Ausbildung oder Studium“ auseinander setzen. Um euch vor allem die Ausbildung nun ein wenig näher zu bringen, haben wir ein Interview mit Katja Böhme zum Thema Ausbildungen gemacht. Frau Böhme ist seit 2011 Berufsberaterin am Kant. Sie hat in Landau und Halle/Saale Erziehungswissenschaften studiert und zusätzlich eine Ausbildung zum Systemischen Coach absolviert. Ihr Berufswunsch zu Schulzeiten war „Chorsängerin im Rundfunkchor“. Aktuell gibt es einen Podcast bei „Wagen und Wachsen“ mit ihr zum Thema „Finde deinen Traumberuf“ (zu hören auf allen gängigen Plattformen).

 

Vor dem Interview möchte Frau Böhme noch klar stellen, dass sie für die meisten Fragen keine allgemeingültigen Aussagen treffen kann, sondern immer nur für einen überwiegenden Teil der Ausbildungen und Studienmöglichkeiten schreibt. Es gibt bei allen Ausbildungsformen immer auch Ausnahmen, welche hier nicht berücksichtigt werden können. Diese Besonderheiten lassen sich aber gut in einem persönlichen Beratungsgespräch klären.

 

 

 

provoKant: Was sind die größten Unterschiede zwischen einer Ausbildung und einem Studium?

 

 

 

Frau Böhme: Der mit Abstand größte Unterschied ist die Praxis.

 

In einer Hochschule eignet man sich überwiegend theoretisches Arbeiten an, eine Ausbildung ist dagegen praxisorientiert. So liegt der praktische Anteil bei einer dualen Berufsausbildung ungefähr bei 80% und an einer Universität bei ca. 20%. Der Praxisanteil bei einer Fachhochschule ist etwas höher und in einem dualen Studium liegen Praxis und Theorie bei ca. 50%.

 

Ein weiterer Unterschied ist die Vergütung. Während ich bei einer dualen Ausbildung schon eine Vergütung erhalte (Mindestvergütung liegt derzeit bei 550€ im ersten Lehrjahr), bin ich bei einem regulären Studium noch von Unterhalt der Eltern oder dem BAföG abhängig. Die verschiedenen Ausbildungen unterliegen bundesweit einer einheitlich geregelten Ausbildungsverordnung. Das heißt eine Ausbildung zum Fachinformatiker*in hat in Sachsen genau die gleichen Inhalte wie im Saarland. Dagegen kann sich ein Studium der Betriebswirtschaftslehre (BWL) in Leipzig schon sehr von einem Studium BWL in Halle unterscheiden.

 

 

 

provoKant: Was ist der Unterschied zwischen einer Ausbildung und dem praktischen Teil eines dualen Studiums?

 

 

 

Frau Böhme: Wie in der ersten Frage schon erwähnt, ist der Praxisanteil in der Ausbildung noch höher. In einer Ausbildung besuche ich neben der Arbeit in meinem Ausbildungsbetrieb noch die Berufsschule. Bei einem dualen Studium studiere ich meist drei Monate an der Berufsakademie und gehe dann für drei Monate in mein Praxisunternehmen, um das theoretisch Gelernte auch in der Praxis umzusetzen. In beiden Fällen gehe ich mit meinem Ausbildungsbetrieb bzw. Praxispartner einen Ausbildungsvertrag ein, welcher die Rechte, Pflichten und auch die Vergütung regelt.

 

 

 

provoKant: In wie fern stimmt es, dass Menschen mit einer Ausbildung später weniger verdienen, als Menschen, die studiert haben?

 

 

 

Frau Böhme: Diese Aussage stimmt nicht ganz. Eine Studie des „Tübinger Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung“ aus dem Jahr 2020 besagt, dass Menschen, die nach ihrer Ausbildung noch einen Meister oder Techniker absolviert haben, im Durchschnitt ungefähr genauso viel verdienen, wie Akademiker*innen. In der Studie heißt es aber auch „Über das gesamte Leben betrachtet, bringt ein Studium aber durchaus ein hohes Einkommen: Mit 65 Jahren haben Akademiker*innen insgesamt 1,45 Millionen Euro verdient, Menschen mit Berufsausbildung kommen am Ende ihres Erwerblebens auf immerhin 962.000 Euro – das ist gut ein Drittel weniger.“

 

In meiner Praxis habe ich die Erfahrung gemacht, dass es in jedem Fall Berufsgruppen gibt z.B. im Bereich der Informatik, in denen ein*e Facharbeiter*in mehr verdient als z.B. ein*e Absolvent*in der Geisteswissenschaften. Auch hier kann ich keine allgemeine Aussage treffen und man muss sich immer den konkreten Einzelfall anschauen, da auch viele andere Kriterien beim Verdienst eine Rolle spielen.

 

 

 

provoKant: Wie lange geht eine Ausbildung durchschnittlich?

 

 

 

Frau Böhme: 3 Jahre, einige technische Ausbildungen dauern 3,5 Jahre – übrigens genauso lange wie ein Bachelorstudium.

 

 

 

 

 

provoKant: Ab welcher Klasse kann man die Schule für eine Ausbildung verlassen?

 

 

 

Frau Böhme: Theoretisch nach der 9.Klasse mit dem Hauptschulabschluss. Dann muss ich aber auch nachweisen, dass ich eine Berufsausbildung mache, da es in Sachsen eine Berufsschulpflicht bis 18 Jahre gibt. Allerdings gebe ich zu Bedenken, dass die meisten Arbeitgeber*innen einen Realschulabschluss dem Hauptschulabschluss vorziehen oder er auch notwendig ist. Auch gibt es mittlerweile Firmen, welche bevorzugt Abiturient*innen für eine Ausbildung einstellen.

 

 

 

provoKant: Wie hat sich das Bild der Ausbildung im Laufe der Zeit verändert? (Im Bezug auf z. B. verschiedene Abschluss-Arten, bevorzugte Ausbildungsplätze o.ä.)

 

 

 

Frau Böhme: Allgemein kann man sagen, dass über viele Jahre hinweg die Liste der Top-Ten-Ausbildungsberufe relativ konstant bleibt. Allerdings unterscheidet diese Liste nicht nach Schulabschlüssen, sodass Gymnasiast*innen vor allem Berufe wie Pflegefachkraft, Immobilienkauffrau/-mann, Fachinformatiker*in bevorzugen. Berufe wie Friseur*in oder Verkäufer*in stehen dagegen selten auf der Wunschliste.

 

 

 

 

In meinem persönlichen Beratungsalltag habe ich aber auch den Eindruck, dass gesellschaftliche und wirtschaftliche Ereignisse die Berufswünsche verändern. So merke ich, dass immer weniger junge Menschen einen Beruf im Bankensektor ergreifen wollen. Zu viele Entlassungen und Fusionierungen aber auch neue digitale Möglichkeiten wie Onlinebanking suggerieren einen unsicheren Arbeitsmarkt in diesem Bereich. Auch spielt der Einfluss der Eltern seit einiger Zeit eine immer größere Rolle. Dies habe ich vor 10 Jahren noch anders wahrgenommen. Stehen Eltern einem Ausbildungsabschluss aufgeschlossen gegenüber, zieht man auch mit Abitur eine Ausbildung eher in Erwähnung, als wenn das Abitur aus Elternsicht zwingend zu einem Studium führen soll.

 

 

 

provoKant: In welchen Fällen würden Sie in einem Schülergespräch eher zu einer Ausbildung oder eher zu einem Studium raten?

 

 

 

Frau Böhme: Ich sehe meine Beratung nicht als „Rat geben“ sondern ich möchte „Hilfe zur Selbsthilfe“ geben. Die Entscheidung liegt ganz klar bei der Schülerin oder dem Schüler, ich kann lediglich bei der Entscheidungsfindung unterstützen. Wenn es um die Entscheidungsfindung Ausbildung oder Studium geht, spielt vor allem eine Rolle, welcher Lerntyp ich bin und ob es schon eine klare berufliche Vorstellung gibt. Grundsätzlich sehe ich Ausbildung und Studium immer als einen ersten von vielen Schritten im Berufsleben und als keine Entscheidung für ein ganzes Leben. Nicht wenige hängen nach dem Studium noch eine Ausbildung dran oder studieren nach ihrer Lehre noch.

 

 

 

provoKant: Wir bitten Sie um ein Statement zu folgender Aussage: "Ausbildung und gymnasiale Oberstufe passen nicht zusammen“.

 

 

 

Frau Böhme: Ganz klar „Nein!“. Ausbildung sollte für Gymnasiast*innen nicht als Ausbildung zweiter Klasse angesehen werden und viele Unternehmen freuen sich, wenn sie zukünftige Führungskräfte oder Expert*innen für sich gewinnen können. Auch sind anschließende Meister*innen- oder Techniker*innenausbildungen einem Bachelorabschluss gleichgesetzt.

 

 

 

Die Berufswahl ist eine der ersten größeren Entscheidungen die man im Leben trifft und diese sollte man vor allem nach Neigung und Begabung treffen und sich nicht zu sehr von Aussagen anderer beeinflussen lassen!

 

 

 

Wir freuen uns, dass wir das Interview führen konnten.

 

Wenn euch die Idee der Ausbildung gefällt und ihr euch für das deutsche Recht interessiert, haben wir hier einen guten Ausbildungsplatz für euch:

 

!Stellenangebot für eine Ausbildung in einer Familienrechts-Kanzlei:

 

Wir suchen für unsere Kanzlei eine/n zuverlässige/n Auszubildende/n (m/w/d) zur/m Rechtsanwaltsfachangestellten.

 

Ihre aussagekräftige Bewerbung richten Sie bitte an nachfolgende E-Mail-Adresse: kanzlei@mueller-tegethoff.de

 

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